Badische Zeitung vom Samstag, 1. Dezember 2007
Kämpfer mit spitzer Feder
STEINEN
(dw). Kommunalpolitik und Kasperletheater haben mitunter einiges gemein
— wer wissen wollte, was genau, der war bei der Ausstellung "Gegen den
Strom— Karikaturen von Griener" des Vereins Kunst und Kultur in
Steinens Vogtshaus an der richtigen Adresse. Gezeigt wurden mehr als 30
Karikaturen aus der Feder von Helmut Scaruppe.
85 Jahre alt ist Helmut Scaruppe geworden, der gebürtige Hamburger lebte zeitweise in Hägelberg und jetzt in Schopfheim. Er ist Ehrenmitglied der Gemeinschaft für ein lebenswertes Dorf, seine spitze Feder hat Steinens Kommunalpolitik weiterhin ins Visier genommen. Und so ist die Retrospektive mit mehr als 30 Karikaturen, die er unter dem Namen "Griener" veröffentlichte, eine Hommage an einen streitbaren Mitbürger, einen aufrechten Menschen, der mit seiner Meinung nie hinter dem Berg hielt.
Die Besucher von heute blickten zurück auf 20 Jahre Steinemer Komunalpolitik, die nicht selten in Grieners Karikaturen als "Kasperletheater" daherkam. Karikaturist sei er keiner, sagt er von sich selbst, die Dinge in Bildern auf den Punkt zu bringen, sei sein Hobby. Dieses Hobby wurde zum Freudenquell der Menschen hier im Wiesental. Harald Pflüger, Journalist aus Schopfheim, berichtete von der Spannung, die die Menschen Samstagsmorgens befiel, weil jeder wissen wollte, was "Griener" denn in dieser Woche wieder ausgebrütet habe.
Es war eine lange Laudatio, mit der Scaruppes langjährige Weggefährtin Birgit Petersen-Mirr aus diesem ereignisreichen Leben berichtete. Von den vielen kleinen Widerständen des Helmut Scaruppe, für die es nicht minder Mut brauchte. Wie es ihm immer wieder gelang, vom NS-Regime nicht eingespannt zu werden. Wie der fast Blinde gelernte Buchhändler — ein amtliches Gutachten hatte ihm eine schwerwiegende Sehschwäche bescheinigt — vom Arbeitsdienst befreit wurde und danach Kunst und Grafik studierte, wie er zeitweise wegen seines aufmüpfigen Verhaltens im KZ Fuhlsbüttel einsaß und zum Schluss desertierte. Er war am Aufblühen des Rowohlt-Verlages nach dem Zusammenbruch beteiligt, war mit Ideenlieferant für die ersten Taschenbücher in Deutschland der Reihe rororo. Beteiligte sich als freier Grafiker an den studentischen Aktionen gegen den Springer Verlag. Da Springer zu seinen wichtigsten Auftragsgebern gehörte, besiegelte er damit seine eigene Arbeitslosigkeit. Er suchte ein neues Lebensumfeld, entschied sich für Basel und siedelte sich in Hägelberg an. Ruhe gibt es für einen wie Helmut Scaruppe nicht. Ausgerechnet hier im tiefen Süden begegnete er wieder dem Namen Hans-Adolf Bühler, der ihm in seiner Hamburger Zeit schon begegnet war, dem Scharfrichter in Sachen Kunst unter den Nazis, sollte eine Schule gewidmet werden. Für Helmut Scaruppe war das unvorstellbar. Und so engagierte er sich wiederum.
Die Zerstörung des alten Steinens konnte er nicht aufhalten, auch wenn seine Zeichnungen Horrorvisionen eines modernistischen Gebäudeakklomerats den Menschen vor Augen führen. Aber seine "Bildchen" halfen die Zerstörung zu beenden, auch wenn vieles von dem "alten Glumps" , wie der damalige Bürgermeister und die meisten der Gemeinderäte meinten, nicht mehr zu retten war.
Scaruppe setzte sich mit anderen gleichwohl für den Erhalt von manch "Altem" ein — zumindest das Vogtshaus blieb tatsächlich erhalten. Dass diese Hommage an den streitbaren Demokraten in der ehemaligen "alten Ritterburg" stattfand, ist wie ein später Dank an einen der Kämpfer, die dafür sorgten, dass das Steinener Kleinod heute noch steht.